Aktuell Dorfgeflüster «Die Ortsplanung betrifft uns alle»
Gemeinde, 29.09.2020
«Die Ortsplanung betrifft uns alle»
Die Informationsveranstaltung zum Siedlungsleitbild Rickenbach hätte eigentlich bereits im Frühling stattfinden sollen und war aufgrund der Coronapandemie auf den Herbst verschoben worden. Am Mittwoch, 16. September, konnte der Anlass im Kubus in Rickenbach nachgeholt werden. Das Interesse war gross.
Die Informationsveranstaltung soll allen die Möglichkeit eines vertieften Einblicks in den Entwurf zum Siedlungsleitbild geben, so Gemeindepräsident Adrian Häfeli nach der Begrüssung. Er spricht zu einem zahlreich erschienenen Publikum: Die Ortsplanungsrevision beschäftigt die Rickenbacherinnen und Rickenbacher sichtlich.
Thomas Zettel, Gemeinderat Ressort Bau und Infrastruktur und Präsident der Ortsplanungskommission, stellt im ersten Teil des Abends den vorliegenden Entwurf zum Siedlungsleitbild vor. Nach der Revision sowohl des Eidgenössischen wie auch des Kantonalen Raumplanungsgesetzes (RPG) im Jahre 2014 und dem darauf basierenden Richtplan des Kantons Luzern sind nun die Gemeinden an der Reihe: Die Gesetzesänderungen erfordern auch von den Gemeinden Anpassungen in der Ortsplanung. Einige Stichworte zum neuen RPG sind unter anderen die Eindämmung der Zersiedlung sowie die Siedlungsentwicklung nach innen – diese Ziele haben die Gemeinden in einem Siedlungsleitbild, dem Zonenplan sowie im Bau- und Zonenreglement gemäss den kantonalen Vorgaben umzusetzen. Der Entwurf des Gemeinderates zum Siedlungsleitbild, der nun vorliegt, wurde dem Kanton noch nicht eingereicht: Zuerst wolle der Gemeinderat die Meinung der Bürger abholen. «Eure Rückmeldungen sind uns wichtig», sagt Thomas Zettel, «Das Siedlungsleitbild betrifft uns alle und wir sind alle gefordert.»
Situationsanalyse als Basis für den Entwurf
Die Grundlage für den Entwurf bildet eine Analyse der aktuellen Situation. Als Vorzüge der Gemeinde wird die hohe Lebens- und Erholungsqualität genannt: Es bestände ein gutes Schulangebot, diverse Einkaufsmöglichkeiten und ein äusserst aktives Dorfleben mit vielen engagierten Vereinen. Verbesserungspotential bestehe demgegenüber beim Zusammengehörigkeitsgefühl der beiden Ortsteile Rickenbach und Pfeffikon sowie bei Siedlungslücken und Unternutzungen im Siedlungsgebiet. Für das Siedlungsleitbild zusätzlich relevant ist das Bevölkerungswachstum. Zwischen 2003 und 2018 verzeichnete die Gemeinde ein durchschnittliches Wachstum von 1.34%, womit bis ins Jahr 2035 mit knapp über 4000 Einwohnern (zum Vergleich: Ende 2018 umfasste die ständige Wohnbevölkerung 3366 Einwohner) gerechnet werden kann. Eine der Fragen, die Thomas Zettel an die anwesenden Bürgerinnen und Bürger richtet, lautet denn auch: «Wie viel soll sich Rickenbach entwickeln? Wo wollen wir hin?»
Mobilisierung und Sensibilisierung
Die zukünftige räumliche Entwicklung ist von der «Siedlungsentwicklung nach innen» geprägt. Das bedeutet, das bestehende Bauzonen besser genutzt werden sollen, womit der Zersiedlung vorgebeugt wird und der haushälterische Umgang mit dem Boden gefördert werden kann. Konkret heisst das: Nicht mehr Bauland, sondern bestehendes Bauland verdichteter nutzen. Wie soll das geschehen? Zwei Stichworte sind in diesem Zusammenhang besonders relevant – die «Mobilisierung» und die «Sensibilisierung». Mobilisierung soll der Hortung von Bauland entgegenwirken: Die Gemeinde kann Bauland aktiv mobilisieren und an Interessierte verkaufen. Das hat mit einem Umdenken im Raumplanungsgesetz zu tun; das Ziel ist nicht, dass die Gemeinde nach Lust und Laune Grundeigentümer enteignen kann, sondern dass das Bauland, das in einer Gemeinde vorhanden ist, den Bürgern auch zur Verfügung steht und nicht ungenutzt bleibt. Mit der Sensibilisierung ist gemeint, dass einem Grundeigentümer, der sein Grundstück nicht vollständig überbaut hat, Möglichkeiten aufgezeigt werden sollen, wie er sein Grundstück optimal nutzen könnte. Es geht also bei den beiden Stichworten darum, dass der Gemeinde ein Steuerungsinstrument zur besseren Ortsplanung in die Hand gegeben wird, und nicht, dass die Gemeinde fortan den Grundeigentümern fixe Vorgaben machen kann.
Ein Blick auf den Plan des Siedlungsleitbilds zeigt denn auch verschieden gefärbte Flächen. So gibt es eine rote Linie, die Siedlungsbegrenzung: Darüber hinaus soll die Gemeinde nicht wachsen. Innerhalb dieser Begrenzungslinie sind unter anderem unbebaute Bauzonen verzeichnet, die für die Wohn- und Mischnutzung oder auch Gewerbenutzung mobilisiert werden sollen, oder auch solche, die zwar bereits überbaut sind, aber nicht optimal ausgenutzt werden – deren Eigentümer sollen für die Siedlungsentwicklung nach innen und ihre Möglichkeiten sensibilisiert werden. Auch sogenannte Rückzonungsflächen sind im Plan verzeichnet – Rickenbach ist gemäss kantonaler Einschätzung eine «Rückzonungsgemeinde» und so gibt es Flächen – vom Kanon definiert nach einem einheitlichen Kriterienkatalog – die rückgezont werden müssen. Die betroffenen Grundeigentümer wurden bereits Anfang Jahr orientiert, die Antwort des Kantons auf den Planungsbericht, der im Juni eingereicht wurde, ist allerdings noch hängig.
Es ist eine emotionale Debatte, diese Sache mit den Bauzonen – das zeigt sich wieder an diesem Mittwochabend. Auch wenn von Seiten Gemeinderat mehrfach betont wird, dass die Informationsveranstaltung sich um das Siedlungsleitbild dreht, hängen die beiden Teilrevisionen trotzdem zusammen – und die Rückzonungen scheinen die Bürger eindeutig am meisten zu beschäftigen.
Austausch an «Marktständen»
Nichtsdestotrotz besteht im Anschluss an die Ausführungen von Thomas Zettel die Möglichkeit für alle, sich an sechs «Marktständen», aufgeteilt nach Themen, zum Siedlungsleitbild zu äussern sowie ihre Kritik, Wünsche und Vorschläge anzubringen. Dieses Angebot wird rege genutzt. Am einen Marktstand, «Strategische Ziele und Sieldungsentwicklung», ist man sich allgemein einig: Rickenbach darf und soll wachsen. Die Frage, die sich stellt – und sehr unterschiedlich beantwortet wird – lautet: Wie viel? Und wohin? Für Diskussionen sorgt zum Beispiel das unterschiedliche Wachstum der beiden Ortsteile Rickenbach und Pfeffikon sowie die beschränkten Kapazitäten der Schulanlage, ein unter Umständen rasches Wachstum abzufangen. Wichtig scheint den Rickenbachern auch, dass trotz allen Wachstums die Naherholungsgebiete bestehen bleiben sollen. Am Stand «Freizeit, Sport, Kultur, Schule, Soziales/ Gesundheit» entstehen hingegen ganz viele spannende Ideen. So ist die Vereinsförderung ein grosses Thema: Wie können Neuzuzüger integriert werden, wie kann in Zukunft auf die Bedürfnisse der Vereine – insbesondere was die Infrastruktur angeht – Rücksicht genommen werden? Zudem möchte man möglichst für alle Altersklassen Freizeitangebote haben – man stellt an diesem Abend eine Lücke fest: Rickenbach hat eine Kita, Rickenbach kümmert sich um seine Senioren, aber was ist mit den Jugendlichen? Ganz generell spricht man sich für die (Um)Nutzung bestehender Strukturen aus. Rickenbach habe ein sehr aktives Dorfleben, dieses gelte es beizubehalten und, wo Bedarf besteht, auszubauen.
Der Gemeinderat und auch die Ortsplanungskommission zeigen sich mit dem Verlauf des Abends zufrieden. Von Seiten der Bürger seien viele gute Ideen eingegangen und man habe auf einer sehr konstruktiven Ebene miteinander kommunizieren können. Die Möglichkeit, sich zu melden – auch im kleinen Rahmen an den Marktständen – sei bei den Rickenbachern gut angekommen und werde auch geschätzt. Anhand der zahlreich erschienenen Bürgern und Bürgerinnen und der engagierten Mitarbeit scheint dieses Fazit zuzutreffen: Es liegt nun an Gemeinderat und Ortsplanungskommission, die angebrachten Kritikpunkte, Vorschläge und Wünsche zu sortieren, zu analysieren und gegebenenfalls umzusetzen.